Kurt Schwitters Kunstfertigkeit

verdeutlichen wir hier durch die Präsentation von Erich Frieds Anna-Variation.

An Anna Emulb

Junogedicht 1 - in memoriam Kurt Schwitters

Weißt du es, weißt du es schon?
Nicht er hat dich geliebt,
mein ebenbürtiges, falsch, verkehrt geschriebenes
Idyll und Ideal, mein helles, das meine Augen
fast trüb vor Liebe: Nicht er hat dich geliebt, sondern ich!
Nicht jener Turk, jener Heide mit seiner Vielsinnlichkeit,
nicht jener Heini, sondern ich, sondern ich liebe dich!

Trotz seiner vielen Sinne ist er sinnlos geblieben:
Nur halb hat er dich erkannt, deinen Nemanuz
hat er nutzlos beiseite gelassen! Das ist keine Liebe,
dieses nur halbe und nur annale Erkennen.
Nicht er hat dich geliebt, sondern ich liebe dich:
Ich will dich ganz lieben und will dich ganz erkennen,
deinen Nemanuz und auch deinen Nemanrov!

'Man kann dich auch von hinten lesen' hat er gesagt 'und du,
du Herrlichste von allen, du bist von hinten  wie von vorne: 'a-n-n-a'.'
Aber du, Anna Emulb, bist nicht von hinten wie von vorne,
wie dieser annale Annalphabeth es behauptet,
der schlappmacht auf halbem Weg: das gehört sich nicht!
Der gehört (beiläufig) in die kalte Glutenkiste.
Hörst du mich, hörst du mich schon, Anna Emulb? Erhörst du mich wieder?
Ich eme dich, ich aime dich sehr, du mein Ziel, du mein aim!
Ich will dich mulben und ulben, denn du bist nicht, wie er sagte,
von hinten wie von vorne, und er soll seinen Rindertalg
für sich behalten. Pfui! Ich sag es ganz unverblümt:
Er soll seinen Rücken, seine Kehrseite, einfetten und streicheln,
denn ich bin es, der jetzt lebt und liebt und dich mulbt und dann ulbt
und dann lbt, solange du willst!

Ja, ich lbe dich! Ich lbe dir! Du deiner dich dir!  Ich dir, du mir - Wir?
Ich lbe dich unter Ulmen und unter Ulben,
wie trunken von Bulmer's Cider und zwiebelig weinend wie unter Bulben!
Ich will dich lben, überall und überhaupt,
bis ich mich lege wie Yeats liegt unter Ben Bulbens kahles Haupt.

O Emulb! Ich will die großen Liebenden aller Zeiten emulbieren,
bis ich zu Mulm werde, und ich will immer den Emu für dich imitieren,
der zwar nicht fliegen kann, doch ich will rund um dich rennen
mit ausgebreiteten Armen: Ich will dich erkennen und richtig benennen!

Mir ist ganz mulmig vor Liebe, wie sichs gebührt,
ganz betrübt bin ich von der Bürde der Liebe zu dir, zu dir,
du, meine einzige Hilfe, mein Holp und mein Hülp und main aid,
mein Idyll und mein Ideal, o du, mein Aidyl,
zu dem Anna Emulb mich durch die Blume führt.

Fried, 2007b_41f

Wir schätzen Fried, das wollen wir hier ausdrücklich vorausschicken; doch der direkte Vergleich wird hoffentlich auch Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, ein Gefühl anderer Qualität vermitteln als die Vorlage. (Spannend, was sich wissenschaftlich wohl aus dem ‘gefühlten Unterschied’ machen lässt.)
Wir sind auch überzeugt, dass Fried sowohl Kurt Schwitters als auch seine Anna Blume sehr geschätzt hat, schließlich hat er genau dieses Gedicht für ein Andenken (in memoriam) ausgewählt.
Was wir damit zeigen wollen und auch an eigenen Beispielen zeigen, ist, dass sich Spitzenqualität nicht ohne Abstriche nachmachen, abkupfern oder übertragen lässt. Worin also mag künstlerische oder literarische Qualität bestehen?
Zu den Lyrik-Lab Forschungsfragen >>>>

 

Anna Emulb

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