ein lyrischer Dreisprung, den wir da wagen:
‘Steckt das da drin?‘ müssen wir fragen.
‘Legen wir es da rein!‘ sollten wir sagen.
Denn ohne Antwort, liegt es später im Magen.
Die Anzeichen mehren sich, dass der Mensch, wenn er die nächsten tausend Jahre überlebt, nicht mehr der Mensch sein wird, den wir heute zu kennen meinen.
Das hängt damit zusammen, dass wir den Dingen nicht mehr nur gegenüberstehen. Schon Walter Benjamin sprach davon, dass Kritik eine Sache des rechten Abstandes sei, der uns aber abhanden kam und das uns statt dessen die Dinge auf der Haut brennen. Bruno Latour fordert die Anerkenntnis eines „Parlaments der Dinge“.
Wir drohen nämlich, in einer Flut solcher Dinge unterzugehen; oder auch nicht, dann müssen wir aber lernen, darauf zu schwimmen, darin zu schwimmen. Vielleicht sogar lernen, wie die Enten, uns bei Gelegenheit von den Dingen zu lösen und in luftigere Sphären zu erheben.
Schwimmen undoder fliegen ist jedenfalls anstrengender als mahnend und klagend aber dennoch unterzugehen. Auch anstrengender als sich in dieser Flut aufzulösen, was Günther Anders befürchtet.
Aus den ‚Molussischen Industriehymnen‘, Deutsch G. A.
...
Täglich steigt aus Automaten
immer schöneres Gerät.
Wir nur bleiben ungeraten,
uns nur schuf man obsolet.
Viel zu früh aus dunklem Grunde
vorgeformt und abgestellt,
stehn wir nun zu später Stunde
ungenau in dieser Welt.
Ach, im Umkreis des Genauen
ziemt uns kein erhobnes Haupt.
Dingen nur ist Selbstvertrauen,
nur Geräten Stolz erlaubt.
...“
Anders, 1984, 26
Bedeutungslos scheint alles, was über antike Versmaße, mittelalterliche Reimschemen oder romantische Empfindsamkeit erzählt wird. Günther Anders‘ Verse lassen sich richtig nur von denen deuten, die die Dampfmaschine kennen. Der Rhythmus% kommt hier nicht aus der Sprache oder aus der Natur, wie etwa beim Herzschlag. Der Rhythmus kommt aus der Maschine, aus dem Gerät.
Darauf muss nun der Mensch achten, dass die Maschine, besser: das Ensemble der Maschinen, die Maschinerie, samt seiner selbst nicht aus ihrem Rhythmus kommt. Genau daraus erwächst den Menschen ihre Scham. Eine vergleichende und im Vergleich unterlegene Scham die vor der Maschine nicht nur schweigen, sondern sich auch fügen muss. Günther Anders nennt sie die Prometheische Scham. Gerade dieses Schweigen müssen verweist auf die Ohnmacht des lyrischen Ichs.
Eine Ohnmacht wohlgemerkt, vielleicht selbstgewählt, aber kein Ausgelöschtsein, keine Zwangsläufigkeit. Denn dieses Sichbinden an den Rhythmus und Klang der Maschine war Goethes weit weniger technisiertem Zeitalter noch relativ fremd, auch inhaltlich:
Statt lyrischer Leere oder Lehre zum Ketteln >>>
% Eine Untersuchung des lyrischen Zusammenhangs zwischen Vers und Rhythmus findet sich nach diesem Klick
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